Donnerstag, 16. April 2015

Jerusalem

Wie auf einem Kinderbild ging gestern die Sonne über den Ölberg auf. Einzelne Strahlen stachen in den Himmel und trafen Kirchen, Moscheen und die goldene Kuppel des Felsendoms. Die Stadt erstrahlte in einem hellgelben Licht.



Nachdem die langgezogenen Gebete der Muezzin über die Dächer der Stadt getragen worden waren, Kirchenglocken geläutet hatten und, verborgen in den Häuserschluchten, ein Hahn gekräht hat, erwachte die Stadt. Quietschend und knarrend öffnen sich die Läden in den Suqs. Kleine Karren rumpeln über Treppengassen. Traktoren bahnen sich mit Müll ihren Weg. Fellachen ziehen Kisten befüllt mit ihren Produkten bis zu ihrem Verkaufsplatz hinter sich her.
In diesen Stunden ist der Kampf, der um Jerusalem seit Jahrtausenden tobt, nicht wirklich. Mehr erscheint er wie eine Erzählung, erdacht von einem kranken Hirn.

Heute Nacht, da raste das Untier durch die Gassen. Starker, kühler Wind kündigte es bereits am Abend an. Grellweißes Licht und ohrenbetäubender Donner wurde von den Häuserwänden zurückgeworfen. Der Regen, der an mein Zimmerfenster klatschte, erinnerte mich an eine Gischt.
All die Religiosität Jerusalems und die besondere Achtsamkeit, mit der sich die Menschen verschiedener Herkunft und verschiedenem Glauben begegnen, können das Brodeln, das in jeder der jahrtausendalten Furchen liegt, nicht verheimlichen.

Ich denke, die Misere kann nur  Gott selbst lösen, in dem er sich auf Jerusalem draufsetzt und die Stadt unter seiner Regentschaft nimmt.

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