Sonntag, 7. Juni 2015

Petra - der Fels, der Stein - Nomen est Omen

Imposante Grabmäler aus Fels herausgeschlagen - eigentlich ist zu Petra nicht viel mehr zu sagen, noch ein paar Bilder und als Schlusssatz ein Zitat von Lawrence von Arabien „Jede Beschreibung verblasst vor dem eigenen Erleben der Stadt.“ und der Blogeintrag wäre fertig.
Denn, wie sagte oder schrieb einmal ein kluger Mann: „Ein Zitat sollte der Schluss eines Aufsatzes sein, wenn der Autor keine eigenen starken Worte findet, um ihn zu beenden.“
Lange habt ihr darauf warten müssen, dass es mit dem Blog über meine Jordanien-Reise weitergeht. Doch ich fand weder Schlussworte noch einen Anfang, durch die ich meine Erinnerungen mit euch hätte teilen können. Es wird, je länger ich zu Hause bin, ein immer chaotischeres Knäuel aus Staunen, Überwältigung und Faszination, das ich einfach nicht entwirren kann.
Würde ich allerdings im Bezug auf Petra vor Worten kapitulieren und mit dem Engländer enden, würde ich die unvorstellbare Leistung von Menschen nicht anerkennen, die in einer unwirtlichen Gegend aus Felsen eine Stadt herausgeschlagen haben.


Das "Schatzhaus"
So also nehme ich meinen Pickel, die Tastatur, in die Hand und führe euch nach Petra.

Vor mehr als 2.000 Jahren stieg ein arabisches Nomadenvolk dank Weihrauch, Myrrhe, Aloe, Kassia, Zimt uvm. aus dem Nichts zu einem einflussreichen Volk von Händlern auf.
Die begehrten Güter wurden über Handelsrouten von Südarabien und Indien gen Mittelmeer transportiert, die den Rückzugsort dieses Volkes passierten. Die Waren brachten Reichtum. Das Wüstenvolk wurde sesshaft. Der Hauptstützpunkt stieg zur Königsstadt auf.
Wann genau die Nabatäer damit begannen, Häuser zu bauen, Acker- und Gartenbau zu treiben und nicht mehr Raubzüge als Haupteinnahmequelle zu sehen, darüber stritten sich bereits Historiker der Antike. Ebenso wenig können zeitgenössische Archäologen gesichert sagen, wann und aus welchem Grund die Stadt aufgegeben wurde.

Geheimnisse, Geheimnisse ...

nabatäischer Krieger

Kein Geheimnis ist, dass Petra nach der »Wiederentdeckung« durch Orient-Liebhaber im 19. Jahrhundert zum Anziehungspunkt schlechthin wurde. Bis dahin hatte 600 Jahre kein Europäer die Stadt betreten. Mythen begangen sich um die roten Felsen, den Bewohnern und ihren Besuchern zu ranken. Heute gehört Petra zu einer der Haupteinnahmequellen des jordanischen Staatshaushalts (Eintritt 50 Euro), das »Schatzhaus« von Petra diente in Steven Spielbergs »Indiana Jones und der letzte Kreuzzug« als Kulisse und 2007 wurde die »rote Stadt« in die Liste der sieben neuen Weltwunder gewählt.

Für den Laien ist der Aufstieg und Niedergang des antiken Petras einfach nachzuvollziehen, wenn er die moderne Stadt Wadi Musa als Beispiel sieht, die sich entlang der Hügelketten bis zum Eingang von Petra ausbreitet.

Das ehemals kleine Berberdorf wird von Kommerz beherrscht: Hotels, Pensionen, B&B’s, Restaurants - mit »free Wi-Fi« - und Souvenirläden bestimmen das Bild.
In Reiseberichten und -führern las ich, dass Touristen füllhorngleich aus Bussen vor dem Besucherzentrum ausgespuckt werden. Auf dem Hof, wo beim Anblick der Stände das Souvenir-Sammlerherz Purzelbäume schlägt, trifft sich die Welt: Arabien, Europa, Amerika und Asien. Nirgendwo sah ich während der 16 Tage, die ich im Nahen Osten verbrachte, so viele Asiaten auf einen Haufen wie hier.
Waren es verhältnismäßig mehr Touristen wie etwa in Jerash, blieb ihre Zahl allerdings erneut meinen Erwartungen bezüglich einer derart wichtigen Sehenswürdigkeit zurück. Die Besucherzahlen sind nach dem 11. September 2001 und in Folge der Unruhen im Nahen Osten drastisch zurückgegangen. Bis 2001 besuchten jährlich 1 Million Touristen die Ausgrabungen. Wie viele Touristen aktuell gezählt werden, weiß ich nicht. Allerdings haben in den letzten 2 Jahren 20 Unterkünfte schließen müssen.

Aber nun in die Stadt der Träume.
Die Geheimnisse der Nabatäer sind in Sandsteinbergen und unter steinig staubiger Erde in einer Hügellandschaft und ausgetrockneten Wadis verborgen. Erst 1 % des Stadtgebiets sind bisher erkundet. Von den 800 erfassten Stätten sind 500 Gräber oder religiöse Prachtbauten, wie z.B. das »Schatzhaus« (arab. Khazne al-Firaun) oder das Obeliskengrab.
Ein Kilometer muss vom Besucherzentrum zurückgelegt werden, bis der eigentliche Eingang erreicht wird. Anna (Name geändert) - eine richtig coole Mitreisende, die hatte eine beneidenswerte stoische Ruhe - und ich gingen ihn zu Fuß. Im Eintrittspreis ist ein Pferde-/Eselritt bzw. eine Kutschfahrt enthalten, aber die haben sooo gestunken. Außerdem war ich erwartungsvoll gespannt und voller Tatendrang. In solchen Momenten glaube ich immer, den Mount Everest besteigen zu können.



Den Siq, die schmale Schlucht, die seit jeher in die verborgene Stadt führt, empfand ich als ein Portal, das mich in eine andere Welt brachte. Alles verstummte. Nur das Rattern der Kutschen war zu hören, die auf Steinplatten fahren, über die bereits die Römer gegangen sind, und die Vögel, die in wild geformten Felsen umherfliegen.



Wasserleitung
Eines, dass die Nabatäer unvergessen machte, ist ihre Leistung beim Wasserleistungsbau. Tropfwasser und Tau wurde aufgefangen, abgeleitet und gespeichert. Sie glichen und nutzten Gefälle. Sie bauten Talsperren, Wassertunnel und Stützmauern, die Sturzwasser minderten und eine Anschwemmung der Wadis verhinderten.
Noch heute sind nabatäische Zisternen in Benutzung.



Als das »Schatzhauses« in die Dunkelheit des Siqs strahlte, wurden alle meine Vorstellungen, die ich durch Bilder und Dokumentationen von Petra gewonnen hatte, minimalisiert. Selten hatte ich einen so erhabenen Moment in meinem Leben erlebt. Alles, was Petra ausmacht, findet sich in der Fassade, die in der Mitte der Felswand aufragt und den Platz davor beherrscht: Geschichte, Bedeutung, Wahrheit, Mystik.


Aus dem Felsen herausgeschlagen wurde es als Grabmal für einen Nabatäer-König. Seinen Namen erhielt es dadurch, dass ein ägyptischer Pharao hier seine Schätze versteckte.
Ich konnte mir gut vorstellen, dass es zur Zeit der handelnden Nabatäer ein ähnliches Gewimmel gegegeben hatte, dass Menschen sich trafen und austauschten, lachten, sich freuten, dass an der gleichen Stelle ein wie heute eine Taverne stand, die zu überteuerten Preisen Getränke und Essen an die erschöpften Ankömmlinge ausgab.





Intuitiv entschieden Anna und ich uns für den einfachen der fünf ausgewiesenen Wege, die durch die Stadt führen. Wir haben nicht viele der Stellen gesehen, die man nach Meinung von Reisebuchautoren gesehen haben sollte. Doch bin ich auch heute nicht traurig, dass ich nicht am Opferplatz gewesen war oder von einem erhöhten Punkt auf die Stadtfläche geblickt habe.
Wir sind geschlendert, haben einen Tee in einer der Buden im Tal vis-a-vis der Königswand getrunken und haben die anderen Touristen beobachtet, die von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzten und unter Schwemme von zwei Kreuzfahrtschiff-Ausflüglern untergingen. Manchmal ist weniger mehr.




Auf der von den Römern errichtetetn Säulenstraße mit Blick auf das Urnengrab

Nichts destotrotz hat Petra mich geschafft. Der Weg, den ich am Morgen leichtfüßig gegangen bin, wies urplötzlich ein Gefälle auf und ich meinte, den Aufstieg zum Gipfel des Mount Everst absolvieren zu müssen. Ich war nahe daran, mich in eine Kutsche zu setzen und vor mir einen der stinkenden Pferdehintern zu haben. Nur dank Annas Motivationskünsten habe ich es bis zum Tor und weiter bis zu einer Pizzaria geschafft, wo wir uns eine Margarita take-away nahmen und auf unseren Zimmern gegessen haben.

Am Abend hätte es noch die Möglichkeit gegeben, »Petra by night« zu erleben (15 Euro Eintritt). Meine Mitreisenden, die sich die Show angesehen haben, waren durch die Bank begeistert gewesen. Romantik pur durch Kerzen in Felsschluchten und Berbermusik.
Ich habe darauf verzichtet und habe stattdessen den perfekten Tag bei einem Glas Wein und anderen fußfaulen ausklingen lassen.

Petra, der Fels, hat mir eines wieder in's Bewusstsein gerückt: Ganz gleich welchen Eroberungen oder Erdbeben man ausgesetzt ist, durch Entschlossenheit kann etwas Großes und die Zeit Überdauerndes vollbracht werden.

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