Mittwoch, 15. Juli 2015

Einigung im Atomstreit mit dem Iran

Kennt ihr noch die »Klo-Sprüche« der 80er Jahre?
Am geilsten fand ich immer »Freiheit für die Gummibärchen - weg mit den Tüten« und
»Stellt euch vor, es ist Krieg und keiner geht hin.«
An Aktualität kaum zu übertreffen.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich in vielen Politikern kein Vertrauen habe. Auf dem Weg nach oben verliert sich oft die Moral, die karrierenhinderlich ist, und es tritt der Narzissmus zu Tage, der Motor für eine Karriere.
Umso überraschter war ich, als sich im April dieses Jahr die UN-Veto-Mächte (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich) und Deutschland in Lausanne mit dem Iran auf Eckpunkte für einen Vertrag einigten, der den Atom-Streit beenden sollte. Ich dachte, "Unglaublich!" 13 Jahre begleitet mich dieser Streit unbewusst und bewusst. Nun bestand doch tatsächlich Hoffnung, dass er beendet wird.
Gestern nährte sich meine Hoffnung noch einmal. In Wien zeigte der iranische Außenminister Sarif auf dem Balkon des Coburg-Palastes ( :-) !) in Wien einen Teil des Vertragsentwurfes.

Ich lasse jetzt mal dahingestellt, inwieweit wirtschaftliche Interessen für diesen »Friedensschluss« vordergründig waren. Es ist einfach ein beruhigendes Gefühl, wenn Politiker eine militärische Auseinandersetzung nicht als das Allheilmittel sehen. Besonders Barack Obama rechne ich es hoch an, dass er anders als seine Vorgänger auf Dialog gesetzt hat und sich nicht durch die Dämonisierung von Medien und Politikern hat einnehmen lassen.

Für Benjamin Netanjahu müssen sich allerdings alle Hoffnungen zerschlagen haben. Das Abkommen bezeichnet er als einen "Fehler historischen Außmaßes".
Er hat sich im März dieses Jahres soviel Mühe gegeben, die USA für einen Militärschlag gegen den Iran zu begeistern. Und nix war’s.  Im Gegenteil, der große Bruder, der immerwährende Unterstützer, die große USA positionierte sich - meines Wissens nach, für Aufklärung bin ich dankbar - erstmals gegen Israel.

In Kommentaren zum Haaretz-Artikel wird Benjamin »Bibi« Netanjahu als »one trick pony«, ein Zirkuspony, bezeichnet, das zwei Tricks beherrscht: mit den Ängsten seiner Landsleute spielen und Krieg führen.
Immer verweist Netanjahu auf die Leiden der Juden während aller Epochen und darauf, dass die Iraner die neuen Nazis sind, die die Juden vernichten wollen. In seinen Reden erwähnt er oft das Buch Esther, in dem es um die Rettung der persischen Juden von dem persischen Minister Haman geht, der vorhatte, sie auszulöschen. - Das Buch endet mit dem Massenmord, den Juden an den Persern begingen. - Er erwähnt aber nie Cyrus den Großen, der den jüdischen Gefangenen erlaubte, nach Jerusalem zurückzukehren. - (Entnommen aus den Texten von Uri Avnery, israelischer Journalist, Schriftsteller und Friedensaktivist, in drei Legislaturperioden Parlamentsabgeordneter in der Knesset.)
Die Rede vor dem US-Kongress, die Barak Obama hatte verhindern wollen und von den Republikanern ermöglicht wurde, enthielt kein Wort über die Palästina-Frage, über den Frieden und kein Wort über Israels eigene Atom-Technologie und auch nicht über eine nuklearwaffenfreie Region mit gegenseitiger Inspektion. Vielmehr bezeichnete Bibi mit blumigen Worten Obama und John Kerry als Idioten. Alternativen zu den Fragen, die Israels Überleben betreffen, bot er nicht an.
Für Bibi und seinem (zwischenzeitlich zurückgetretenen) Außenminister Avigdor Liebermann gibt es auch keine Alternativen, außer Militärschläge und die totale Zerstörung der Nachbarn.
Blöd nur, dass sich nicht nur Vertreter der Weltmächte, sondern auch ehemalige israelische Militär- und Nachrichtendienstchefs, wie etwa Benny Gantz, der im März d.J. von seinem Amt zurückgetreten ist, sich gegen einen Krieg gegen den Iran aussprechen.


Oben bin ich kurz auf wirtschaftliche Interessen zusprechen gekommen, die den Deal mit dem Iran beeinflusst haben könnten. Außer Acht lassen kann ich sie bei aller Euphorie ob der integren Politiker nicht.
Bei einer Militäroperation gegen den Iran würde mit absoluter Sicherheit die Straße von Hormus - eine wenige Seemeilen breite Meerenge, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman, dem arabischen Meer und dem Indischen Oziean verbindet - geschlossen werden. Etwa 35% des Erdöls der Welt werden hier verschifft. Ein (weltweiter) wirtschaftlicher Zusammenbrauch wäre die Folge.
Um die Straße von Hormus wieder zu öffnen und offen zu halten, wäre ein Landkrieg unabdingbar. Eine Vorstellung, die die kriegsbegeisterten US-Republikaner erschaudern lässt, die bei der kommenden Präsidentschaftswahl auf die Stimmen eines kriegsmüden Volkes hoffen.


Ich glaube, heute ist Bibi einer der einsamsten Menschen auf dieser Welt. Niemand hört ihn, wenn er die Welt vor dem BÖSEN warnt, vor den Monstern, die es führen, vor den weltweiten (iranischen) Terroristen. Er warnt vor interkontinentale Raketen, die vielleicht einmal gebaut werden wollten und Israel und sogar die USA auslöschen könnten. - Ganz nebenbei: Israels Atomwaffen könnten wahrscheinlich Deutschland auslöschen. - Netanjahu scheint das wirklich zu glauben.

Ich mag ein arroganter deutscher Gutmensch sein, der vom bequemen Sofa (ich sitze übrigens auf einem mehr oder weniger harten Stuhl) aus das Geschehen mit wohl gefülltem Bauch beobachtet. Aber ich weigere mich, den Iran als Dämon zu sehen.
Wären die Ayatollas wirklich so dämlich? Der religiöse Eifer hat sich verloren. Die jetzigen Machthaber verhalten sich ebenso hinterrücks und berechnend wie alle Politiker es tun. Sie setzen wirtschaftliche Interessen hoch an und wollen aus allem das bestmögliche für sich und ihrem Land herausschlagen. Teheran muss sich um ein internationales Ansehen bemühen, das es erlaubt, in der großen Politik mitzuspielen. Den Iranern, die unter den jahrelangen Wirtschaftssanktionen leiden, die innere Unzufriedenheit und staatliche Instabilität mit sich bringen, muss es ermöglicht werden, an weltweiter Bildung und Erfolgen teilhaben zu können. Würde der Iran die Einnahmen für den Staatshaushalt gefährden, die aus den wirtschaftlichen Verbindungen mit Israel resultieren - die durch Israel führende Eilat-Ashkalon-Ölleitung, die von einem iranisch-israelischen Konsortium gebaut wurde? 
Wenn Bibi davor warnt, ihnen nicht blindlings zu vertrauen, muss er auch vor sich selbst, dem Präsidenten der USA, unserer Kanzlerin ... warnen.

Es wird Zeit, dass Israel sich seiner wirklichen Bedrohung stellt. Diese ist nicht der Iran oder die Palästinenser. Sondern der IS, der bereits den Christen in Jerusalem die Vernichtung angedroht hat, oder die orthodoxen Siedler, die unter dem Schutz der israelischen Regierung Menschen verspotten und bedrohen und Olivenbäume auf palästinensischen Gebiet niederbrennen können.
Im Kampf für den inneren und äußeren Frieden sollte sich Israel wieder mit dem Iran verbünden, so wie einst vor der islamischen Revolution im Iran, als das Land der stärkste Verbündete in der Region war, oder damals, als Israel Waffen lieferte, im Kampf gegen Saddam Hussein.
Bibi sollte sich seine Worte zu Herzen nehmen: »Der Feind meines Feindes ist mein Feind.« Für Israel und Teheran ist der IS der gemeinsame Feind.


Chaim Weizmann, Zionist der ersten Stunde, sagte einmal: »Die Zukunft wird kommen und sich um die Zukunft kümmern.“
10 Jahre wird der Iran kontrolliert, dass nicht genug Atommaterial für eine Nuklearwaffe produziert werden kann. Was kann in 10 Jahren alles geschehen? Unsere Welt, wird dann nicht mehr die sein, die wir heute kennen: Regime werden gestürzt werden und neue werden geboren, Bündnisse werden aufgelöst und neu eingegangen, neue Bedrohungen werden auf uns zukommen und vielleicht erreicht es auch Teheran, dass selbst eine zivile Nutzung von Atomenergie nicht das gelbe vom Ei ist. Sogar Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich.

Das Einzige, was meine Hoffnung noch trübt, ist das 60-tägige Prüfrecht des US-Kongresses und die Haltung einiger Iraner. Es ist zu hoffen, dass Barak Obama es hinbekommt, dass die Parlamentarier das Abkommen nicht blockieren und Ali Chamenei die Kritiker in seinen Reihen auf Kurs bekommt.

Sonntag, 5. Juli 2015

SPD im Umfragetief - Berater sollen helfen



Die SPD hätte doch bei mir anfragen können. Ich hätte sie für einen Bruchteil dessen beraten, was jetzt mit meinem Mitgliedsbeitrag gezahlt wird. Es wäre deswegen sehr viel billiger gekommen, weil mein Gespräch mit Herrn Gabriel und Frau Nahles nicht viel länger als eine halbe Stunde gedauert hätte. Der Kaffee bereits inbegriffen. Ich hätte keine Statistiken ausgewertet, Mitglieds- oder Bürgerbefragungen durchgeführt und ich hätte keine vierfarbigen Hochglanzdrucke an die Parteispitze ausgegeben. Ich hätte Herrn Gabriel und Frau Nahles ganz einfach geraten sich auf die Werte der SPD zu besinnen:

Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

Für diese Werte, die die Grundlage einer besseren Gesellschaft sind, haben die Gründerväter und viele der nachfolgenden Generationen gekämpft. Die Stärke, der Mut und die Entschlossenheit, die noch so kleine SPD-Politiker versprüht haben, bewogen mich als Jugendliche der Partei beizutreten.
Für viele Jahre kann ich sagen, war mein Verhältnis zur SPD wie zu einem guten Freund: Ich fühlte mich aufgehoben und verstanden, auch wenn ich nicht immer einer Meinung sein konnte. Ich verstand aber, dass Entscheidungen und Handlungen Voraussetzungen schaffen sollen, dass für alle Bürger unseres Landes einheitliche Chancen zur Verfügung gestellt werden, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Religion.
So habe ich z.B. »Hartz-IV« verteidigt und tue es immer noch. Eine bessere Gesellschaft kann nicht dadurch entstehen, dass nur ein Teil die Verantwortung übernimmt. Verantwortung für sein Leben hat jeder Einzelne selbst zu tragen. Die Gesellschaft -  Bürger, Beschäftigte, Beamte, Selbständige, Freiberufler, die Wirtschaft und die Politik - hat die Verpflichtung zu erfüllen, ihm den Rücken stärken.
Der Politik fällt hierbei ein bei Weitem größeres Gewicht zu. Sie muss die rechtlichen und materiellen Voraussetzungen für Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit schaffen, was für inneren Frieden und für Stabilität von immenser Wichtigkeit ist. Diesen Part hat vor über 150 Jahren die SPD übernommen und ihn lange verantwortungsvoll ausgeübt.
So trat unter Willy Brandt als Bundeskanzler 1971 das BAföG in Kraft. Ein wichtiger Schritt für soziale Gerechtigkeit. Kindern aus Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen ist es möglich, sich über den die Regelschule ausgebenden beruflichen Werdegang hinaus weiterzubilden.
Die erschreckende Erkenntnis der Jahre meiner Mitgliedschaft ist, dass die SPD mehr und mehr ihren Auftrag vergisst, den sie sich zugegebener Maßen selbst erteilt hat.
Als aktuelle Beispiele sollen die Tarifeinheit und TTIP stehen.

Hier wird deutlich, dass die Freiheit des Menschen entgegen der Grundwertekommission der SPD auf die Freiheit des Marktes reduziert wird. »Politik muss dafür sorgen, dass nicht zur bloßen Ware wird, was nicht zur Ware werden darf: Recht, Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Kultur, natürliche Umwelt. ... Weil wir an diesem Ziel festhalten, bestehen wir auf dem Primat demokratischer Politik und widersprechen der Unterwerfung des Politischen unter das Ökonomische ... Die Demokratie wird sich in Zukunft darin bewähren müssen, dass sie den Zugang zu [diesen] öffentlichen Gütern gewährleistet, die politische Verantwortung für die Daseinsvorsorge behauptet, die eine gerechte Verteilung von Lebenschancen erst ermöglicht. Das ist in einer Welt knapper werdender Ressourcen mehr denn je erforderlich und darf nicht dem Markt überlassen werden. Für uns ist der Markt ein notwendiges und anderen wirtschaftlichen Koordinierungsformen überlegenes Mittel. Der sich selbst überlassene Markt ist jedoch sozial und ökologisch blind. ... Damit der Markt seine positive Wirksamkeit entfalten kann, bedarf er der Regeln, eines sanktionsfähigen Staates, wirkungsvoller Gesetze und fairer Preisbildung.... »
Ob es sinnig ist, dass sich in einem Unternehmen mehrere Gewerkschaften finden, darüber hat Politik nicht zu entscheiden. Insbesondere keine Partei, die sich in und für Arbeiterkämpfe einen Namen machte und Zuspruch erhielt. Frau Nahles‹ Gesetzentwurf zur Tarifeinheit zielt auf die Bedürfnisse des Marktes ab und lässt die Außen vor, um deren Verlust die SPD sich nun grämt: die Menschen, die Beschäftigten, ihre Wähler.
Deutschland wird sich die Möglichkeit nehmen, politische Verantwortung für öffentliche Güter und Daseinsvorsorge, für die gerechte Verteilung von Lebenschancen zu tragen, wenn es zum Abschluss des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) kommt.
Wenn ich mir die Auswertung des Papiers „ TTIP und die sozialdemokratischen Grundwerte – ein Konflikt? “ der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD im Januar 2015 durchlese, frage ich mich ernsthaft, ob meine Partei mich noch als mündigen Bürger, Wähler und mündiges Mitglied sieht.
Dass eine Partei, die für die Gerechtigkeit bei der Teilhabe an Bildung, Arbeit, öffentlichen Gütern und Kultur steht, einem Abkommen zustimmen kann, der all das beschneiden wird, geht mir nicht in den Kopf. Und es wird auch nicht durch Schönfärberei, intelligente Worte und Satzstellung besser.
Hier wird ganz klar gegen einen Grundwert der SPD verstoßen: Das Politische nicht dem Ökonomischen zu unterwerfen.
Viele Bürger unseres Landes fühlen sich nicht ausreichend gesichert und von der Partei, die sie vertreten soll, zudem alleingelassen. Einkommen und Vermögen sind ungleich verteilt. Leistung wird nicht mehr anerkannt. Der Mensch wird zu einer »Schiffsschraube« und ist nicht mehr der Anker, mit dem die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft Halt in tosenden Gewässern findet. Gerechtigkeit wird auf den Rechtsstaat und Solidarität auf Armenfürsorge reduziert. Es ist der »Job« der Konservativen und der Liberalen das zu tun. Der »Job« der SPD ist es, dagegen Position zu beziehen.

Bildergebnis für Uli stein dagegen
Uli Stein

Die Globalisierung bringt viele Anforderungen an Gesellschaften und Politik mit sich. Es tut mir leid, wenn die aktuelle Spitze der SPD sich nicht in der Lage sieht, diesen gewachsen zu sein, dann muss sie gehen. Nichts anderes sagen die Umfragewerte aus. Und ich lasse jetzt offen, ob Unfähigkeit, Bequemlichkeit oder Gier die Gründe sind.
Unsere Gesellschaft verlangt nach einer Ordnung, welche die bürgerlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Grundrechte und Grundwerte garantiert. Ich will nicht absprechen, dass es harte Arbeit und Verhandlungsgeschick und viel Wissen bedeutet, konservative sowie liberale Grundwerte mit sozialdemokratischen Grundwerten zu einer Einheit zu formen. Aber wie an weiter oben genannten Beispiel des BAföGs gesehen, ist es möglich. Es braucht nur Mut und Ideen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Eltern mit hohem Bildungsniveau und hoher gesellschaftlicher Stellung sich nicht begeistert zeigten, als mit einem Mal der Sohn oder die Tochter eines Fabrikarbeiters neben dem eigenen Kind auf der Schulbank saß.
Unter der Führung der SPD wurde ein Gesetz verabschiedet, das soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Interessen nicht gegeneinander ausschließt. Durch die »Aktivierung des Potentials« können Industrie und Wirtschaft auf gut ausgebildete Fachkräfte zurückgreifen. Den Bürgern werden gleiche Lebenschancen geboten. Jedem ist es möglich, sich entsprechend seiner Neigungen und Fähigkeiten zu entfalten.

All das würde ich Herrn Gabriel nicht sagen. Ich spreche ihm so viel Intelligenz zu, dass er es selbst erkennen kann.
Ihm würde ich sagen: »Die SPD wird zu alter Stärke zurückfinden, sobald sie sich auf ihre Wurzeln besinnt: Widerstand gegen die ökonomische Dominanz und Eintritt für Nachhaltigkeit.«



Samstag, 4. Juli 2015

Hammamt Ma'in - Wo schon die alten Römer badeten

Vom Toten Meer aus fuhren wir an unserem letzten richtigen Tag in Jordanien mit dem Bus die Panoramastraße Richtung Amman, die wir am Abend zuvor in Dunkelheit gekommen waren.
Die Landschaft ist bizarr, wunderschön, eindrucksvoll usw. usf. Wie ein Spiegel mit einem blauen Glas liegt das Tote Meer inmitten rostroter, karger Berge. Immer wieder wird die Ödnis von Wasserrinnsalen, blühenden Bäumen und grünen Flecken unterbrochen.




An die 60 heißen Quellen stoßen durch die bröckelnde schwefelhaltige Oberfläche.
Der letzte Programmpunkt der Rundreise brachte uns zu einer der Berühmtesten.
In Hammamat Ma’in suchten bereits die Menschen im Altertum „ein angenehmes, heilkräftiges und besonders für die Nerven zuträgliches Bad“, so Flavius Josephus, ein jüdisch-römischer Chronist des 1. Jahrhunderts n.Ch.
Für uns, die die Quelle besuchten, traf dies nur teilweise zu.


Das Shit-Wetter vom Vortag entwickelte sich im Laufe des Vormittags zu einer absoluten Katastrophe. Immer wieder zog der Himmel zu, regnete es und versprach ganz und gar keinen angenehmen Tag. Der lange glimmende Lagerkoller wurde genährt und die Stimmung im Bus lag am Boden, als wir am Einlass ankamen.
Inwieweit darüber gestritten werden kann, ob ein Außenaktivitäts-Programmpunkt durchgeführt wird, wenn die Aussicht auf Wetterbesserung bei Null liegt, lasse ich hier jetzt einmal außer Acht. Selbst wenn ich gewusst hätte, wie der Aufenthalt verlief, hätte ich dafür plädiert, nur um nicht Ronnys Meinung zu sein. Obwohl ich zugeben muss, dass mich die Museen in Amman, die seine Gundula als Alternative vorschlug, auch interessierten. Unser Reisebegleiter Mahmoud behielt während der unschönen und zum Fremdschämen geführten Diskussion seine stoische Ruhe und Freundlichkeit. In seinem Gesicht konnte ich allerdings lesen, dass er froh war, seine Reisegruppe am nächsten Morgen den jordanischen Beamten am Flughafen überlassen zu können.

15 JD kostet der Eintritt des öffentlich zugänglichen Bereiches. Die Anlage bietet terrassenförmig angelegte Becken, in die sich drei Wasserfälle und mehrere Rinnsale stürzen und die 45 C bis 60 C heißes Wasser halten, römische Bäder (für Frauen und Männer getrennt) ein Kaltwasser-Pool, eine Sauna und ein Souvenirladen mit großer Terrasse.
Vom Einlass schlängelt sich eine ca. 1 km lange, enge und üppig mit Gebüsch und Gehölz eingewachsene Straße dem Berg hinunter. Vom Parkplatz aus folgten Susi, Anke, Heide, unsere Berliner Schnatterschnauze, Anne und ich Mahmoud über Treppen, mit Steinen ausgelegten und aufgrund des Regens glitschigen Wegen und kleine Brücken zu den Becken. Für vier verabredete Stunden überließ er uns in der Obhut der Badeaufseher.

An den unter Schilfdächern aufgestellten Tischgruppen und Bänken ist es bei Sonnenschein und warmen Temperaturen bestimmt schön sitzen, picknicken und dem Schauspiel zuzusehen, wie Erwachsene und Kinder sich amüsieren oder sich den Rücken von den Wassermassen massieren lassen.
In diesen Genuss kamen Anne und ich nicht, die wir uns als Wächter für die Taschen und Fotografen zur Verfügung gestellt hatten. Es regnete mit nur einer kurzen Unterbrechung unablässig. Die aufsteigenden Dampfwolken waren von den tief hängenden Regenwolken kaum zu unterscheiden und je länger wir auf der Terrasse standen, desto trüber wurde das Licht.



Was ich mir gut vorstellen konnte und was mir von den anderen bestätigt wurde, war, dass es bei Regen und kühlen Temperaturen besonders angenehm ist, sich in dem heißen Wasser aufzuhalten. Susi sagte, dass sie noch nie eine so tolle Massage erhalten hatte.Irgendwann, als ich so durchnässt mit einer feuchten Zigarette Fotos von meinen Begleiterinnen machte, sah ich plötzlich kein mit Dampf eingelulltes Wasser, sondern eine braune Brühe einen der Felsen herunterstürzen und dachte bei mir: ‚Das ist nicht normal.’


Dass es das nicht war, schloss ich aus dem Interesse eines Aufsehers, der den Schlammfall in Film und Bild festhielt, und der Hektik, die einen Weiteren ergriff.
Es müsste jetzt hier stehen: „Es ging alles sehr schnell.“ Dass ging es aber nicht. Es dauerte eine geraume Zeit, all denen, die sich in den Becken verteilt hatten oder sich den Rücken massieren ließen, - es war noch eine arabische Familie anwesend - begreiflich zu machen, dass sie doch lieber abbrechen sollten. Nach noch nicht einmal einer Stunde war der Natur-Wellness-Tag vorbei.
Der Abbruch und der Hinweis der Aufseher, dass die Becken für diesen Tag geschlossen bleiben würden, sorgten dafür, dass wir mit der Gesamtsituation überfordert waren. Es tat sich für uns keine Alternative auf. Die Sauna und die Pools fanden wir nicht und der Souvenirshop bot nur solche und keinen Tee oder Kaffee oder einen trockenen Stuhl oder eine solche Bank. Nach langem Hin und her Überlegen beschlossen wir dann, hoch zu gehen und irgendwie mit Mahmoud Kontakt aufzunehmen, dass wir früher abgeholt werden wollten. Die Angestellten des Shops gaben uns schwarze, dünne Plastiktüten als Regenschutz mit. Ich sah bestimmt genauso bescheuert aus, wie die anderen. Lediglich Anne und Heide hatten verzichtet. Was eigentlich nur logisch war. Nass waren wir ja schon.
In dem Einlasshäuschen drängten sich dann deutsche Touristinnen, ein Beamter der Touristenpolizei, ein Angestellter und hinter dem Tresen ein Weiterer, der Mahmoud anrief und ihn vorzeitig beorderte. Zum Glück hatte Heide dessen Visitenkarte. An so etwas denke ich grundsätzlich nicht. Während wir warteten und arabisches Fernsehen verfolgten, verhandelte Anke erfolgreich und uns wurde der Eintrittspreis mit überschwänglichen Entschuldigungen zurückerstattet.
Ich war schon etwas neidisch als der Bus kam und Mahmoud erzählte, dass er mit dem Rest unserer Gruppe das Museum über das Tote Meer besucht hatte.

Die Angestellten von Hammamat Ma’in hatten wohl den gesamten Tag nichts anderes mehr getan, als neuen Entspannungs- und Heilsuchenden zu erklären, dass baden an diesem Tag nicht mehr mögich war. Auch wenn Araber die Messlatte für Gefahren höher stecken als der gemeine Mitteleuropäer und Verstöße gegen Sicherheitsvorgaben selten geahndet werden, hier waren sie rigoros.
Was mich den restlichen Tag beschäftigte, war weniger, dass der Tag regelrecht ersoffen und für den Abschluss der Rundreise eine Katastrophe war, sondern dass Ronny Recht hatte.

Der Tag und die Gruppenreise endeten in Amman, wo wir 9 Tage zuvor die Rundreise angetreten hatten. Noch einmal ein Bier in der Lobby und ein Falafel-Sandwich, mit Urschl, und da noch einmal Fremdschämen pur in der Falafel-Stube dank Urschl.
Auch wenn ich Anne, Susi und XYZ recht gerne hatte, war ich unsagbar froh, dankbar und glücklich alleine weiter nach Jerusalem reisen zu können.

Hier findet ihr den Bericht über die Weiterreise nach Jerusalem.